Organ-Tauschringe für Deutschland! Eine gute Idee?

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1. Faktencheck ist ein Projekt von Debattenprofis.de. Das Projekt wird von der Robert Bosch Stiftung gefördert

1.1. Legende

1.2. Links und Literatur

1.3. Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

1.4. Kommentare im Forum werden in diese Karte übertragen!

2. Diagnose: Was ist der Status quo? Wo liegen die Probleme?

2.1. Rund 8000 Menschen warten derzeit in Deutschland auf eine neue Niere. Laut Deutscher Stiftung für Organspende (DSO) ist diese Zahl dreimal so hoch wie die Zahl der vermittelten Transplantationsorgane

2.1.1. Angesichts der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot an Spendernieren noch größer werden wird!

2.1.1.1. Spendernieren werden bei Diabetes benötigt. Diabetes tritt aber sehr stark auch bei jüngen Menschen auf. Von daher hat die demografische Entwicklung (mehr Ältere) wenig Relevanz

2.1.1.1.1. Unter älteren Menschen ist Diabetes stärker verbreitet als unter jüngeren

2.2. Nierenkranke finden zwar manchmal in der engen Verwandtschaft jemanden, der zu einer Spende bereit wäre. Oftmals kommt diese Lebendspende aber nicht in Frage, weil die Blutgruppe nicht passt oder andere Unverträglichkeiten existieren.

2.2.1. Das Problem der Inkompatibilität stellt sich mit wachsendem medizinischem Fortschritt immer weniger

2.2.1.1. In welchem Ausmaß verringert sich das Problem der Inkompatibilität? Beleg? s.u.!

2.3. Mehr Lebendspender könnten helfen – denn der Mensch hat zwei Nieren und braucht eigentlich nur eine.

2.3.1. Mangel herrscht nicht an Lebenspenden, sondern an postmortalen Spenden

2.3.1.1. Die postmortalen Spenden nehmen ab. Dies könnte kompensiert werden durch den Zuwachs bei den Lebendspenden!

2.3.1.1.1. Wenn postmortale Spenden sinken, automatisch einen Ausgleich quasi einzufordern, entspricht den wirtschaftlichen Zielen eines Transplantationszentrums. Dazu, wie wirtschaftliche Interessen einen die Transplantationspraxis beeinflussen, siehe der jüngste Skandal in Münchner Kliniken

2.3.2. Lebendspenden sind besser als postmortale Spenden

3. Folgen und Nebenfolgen, Nutzen und Risiken: Können die anstrebten Ziele realisiert werden? Verbaut man sich attraktive Alternativen? Gibt es nachteilige Auswirkungen, die in der Gesamteinschätzung zu beachten sind?

3.1. Vorteile: Was ist der Nutzen von Organ-Tauschringen bzw. Spenderketten?

3.1.1. & (1 und 2)

3.1.1.1. Transplantationen ermöglichen den Betroffenen ein besseres Leben und sparen Geld

3.1.1.1.1. Das Leben von Nierenkranken ist von mehrmals die Woche stattfindender und oft zur Erschöpfung führender Dialyse geprägt

3.1.1.1.2. Aus den USA sind Daten verfügbar, wonach eine Nierenspende-Operation bis zu Einsparungen in Höhe von bis zu einer knappen Million Dollar führt.

3.1.1.1.3. Der Nutzen der Organspenden für die Empfänger ist strittig und nicht erwiesen!

3.1.1.1.4. Je länger ein Patient auf eine Spenderniere warten muss, desto mehr sinkt seine Überlebenswahrscheinlichkeit – Dialyse hin oder her. Nach einer Studie von Meier-Kreische et al. (2000) haben Nierenkranke, die vier Jahre auf ein Spenderorgan warten, im Vergleich zu Patienten, die sofort eine Transplantation erhalten („100 Prozent“), eine Überlebenswahrscheinlichkeit von nur 72 Prozent.

3.1.1.2. & (1 oder 2): Spenderketten lösen ein wichtiges Problem in der derzeitigen Praxis

3.1.1.2.1. Innerhalb der Spenderkette lässt sich das Problem mangelnder Kompabilität zwischen Spenderorgan und Empfänger lösen. (Insgesamt, sagt man, beträgt deshalb die Wahrscheinlichkeit, dass zum Beispiel der Ehepartner die für eine Lebend-Organspende passende Blutgruppe hat, nur rund 70 Prozent)

3.1.1.2.2. Organ-Tauschringe ermöglichen die Durchführung einer größeren Anzahl von Transplantationen. Somit kann mehr Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, geholfen werden

3.1.2. Transplantationen von Lebenspenden sind besser als solche von postmortalen Spenden

3.1.2.1. Die Lebenswahrscheinlichkeit von Empfängern von Lebendspenden nach zehn Jahren ist 34 Prozent höher als bei postmortalen Spenden, so eine niederländische Studie (De Klerk 2005)

3.1.3. Organ-Tauschringe und Tauschketten würden dazu führen, dass die Anzahl von Transplantationspatienten, die sich auf Wartelisten befinden, sinkt. Die Chancen auf eine Organspende würden sich erhöhen. Der Druck in Richtung Illegalität (kommerzieller Organhandel: „Niere aus Indien“) würde abnehmen

3.1.3.1. Beleg für voraussichtliche Folgen: Simulationsstudien (z.B. Wullers 2011)

3.2. Nachteile: Welche Risiken exitieren?

3.2.1. Zu beachten: das Risiko für den Spender! Hierzu gibt es höchst unterschiedliche Daten (...)

3.2.2. Ethische Vorbehalte: s.u.

4. Der Plan: Wie kann ein Organ-Tauschring die aktuellen Probleme lösen? Wie soll er organisiert werden? Kann alles so realisiert werden, wie die Befürworter des Vorhabens es behaupten?

4.1. Welche rechtlichen Gründe und ethischen Vorbehalte sprechen gegen Spenderketten ("ohne Geld")? Könnten diese entkräftet werden?

4.1.1. & (1+2) Spenderketten sind Deutschland verboten!

4.1.1.1. Spenderketten stellen eine Form von altruistischer Organspende an Fremde dar

4.1.1.2. Die altruistische Organspende ist in Deutschland verboten. Von daher ist die Realisierung von Organ-Tauschringen in Deutschland nicht möglich

4.1.1.2.1. & (1+2) Das gesetzliche Verbot lässt sich vielleicht umgehen...

4.1.2. Organ-Tauschringe sind in Deutschland nicht zuletzt deshalb untersagt, weil sie nahe an den kommerziellen Organhandel heranreichen. Gegen den kommerziellen Organhandel werden gewichtige ethische Bedenken geltend gemacht. Wie stichfest sind diese?

4.1.2.1. Kommerzieller Organhandel benachteiligt diejenigen, die finanziell schlechter gestellt sind (Fairness; Verteilungsgerechtigkeit)

4.1.2.1.1. Eng reguliert, würde kommerzieller Organhandel vielen Patienten helfen und niemandem schaden

4.1.2.1.2. Es existieren zahlreiche Berichte von krassen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Organhandel!

4.1.2.2. Niemand soll, gegen Bezahlung, zu Gunsten Dritter sein Leben einem Risiko aussetzen - auch nicht aus freien Stücken. Denn: bestimmte Dinge müssen unverkäuflich bleiben. So auch der Körper und seine Teile (Walzer 1983)

4.1.2.2.1. Feuerwehrleute, Bergarbeiter und (in anderen Ländern) auch Söldner werden genau dafür bezahlt, dass sie ihr Leben riskieren!

4.1.2.2.2. Der Ankauf von Organspenden kann auch als eine Form von Entwicklungshilfe aufgefasst werden! Diese sollte man niemandem verwehren

4.1.2.3. Ein kommerzieller Handel würde dazu führen, dass uneigennützig motivierte Spenden abnehmen ("crowding out"). Die Folge: Weniger Spenden insgesamt!

4.1.2.3.1. Generell zeichnet die Forschung, was crowding-out Effekte betrifft, ein gemischtes Bild (vgl. Archard 2002). In Bezug auf Organspenden konnte jedoch durch Untersuchungen in Indien nachgewiesen werden, dass der Effekt eintritt (Schneider 2011).

4.1.3. In Deutschland lehnt man Organ-Spenderketten ab, in den USA (und anderen Ländern) jedoch nicht. Woher rührt der Unterschied? Und: Ist dies ein Indiz dafür, dass wir in Deutschland uns vielleicht den USA, mit denen wir viele, wenn nicht die meisten Wertmaßstäbe teilen, angleichen werden?

4.1.3.1. Es ist eine offene Frage, warum diese Begründungen in einigen Ländern größeren Anklang finden als in anderen. Eine internationale Übersicht über die Staaten und ihre Handhabe der Organspende lässt auf den ersten Blick keine einfachen Schlüsse zu (Lennerling 2012)

4.1.4. Wenn über Körperteile wie über Sachen verfügt werden kann, ändert sich das Verhältnis der Menschen zu ihrem Körper – bis hin zur möglichen Konsequenz, dass Ansprüche auf Körperteile eines anderen entstehen könnten, was unakzeptabel ist (Taupitz 2007).

4.1.5. Die Einschränkung von Lebend-Organspenden wird in Deutschland auch damit begründet, dass es schwer zu kontrollieren ist, ob wirklich keine Entlohnung der Spende stattfindet (womit dann wieder all die Einwände gegen den kommerziellen Organhandel auf dem Tisch wären.)

4.1.5.1. Tauschringe und -kettenlassen sich vermutlich auch anonym organisieren. Dann müsste man nicht befürchten, dass eine nicht vorgesehene Belohnung stattfindet

4.1.5.1.1. Faktisch ist es unmöglich, Anonymität zu gewährleisten (...)

4.1.6. Jegliche Überlegung, Organhandel zuzulassen oder den Spenderkreis durch Ketten oder anonyme Spenden zu erweitern, ist aber angesichts der schon ohnehin hochkritischen Lebendspendepraxis ein ethisches, sowie juristisches, No-Go

4.1.6.1. & (1+2) Organspenden gefähreden den Spender über Maßen

4.1.6.1.1. Organspenden sind nur dann zulässig, wenn "die Person nach ärztlicher Beurteilung als Spender geeignete ist und voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird" (Transplantationsgesetzt TPG § 8)

4.1.6.1.2. Betrachtet man die Langzeitergebnisse des einzigen validen Lebendspenderregisters weltweit (http://www.nierenlebendspende...), dann stellt sich die Frage, ob dies nicht regelmäßige schwere Folgen einer Lebendspende sind, die §8 TPG in Kraft treten lassen würden

4.2. Wie vermeidet man es, dass eine Spendenkette platzt, weil einer der Betroffenen in letzter Minute einen Rückzieher macht?

4.3. Link zu Monty-Python Filmchen